
Klaus-R
Moderator
- Beiträge
- 21.100
Hallo zusammen,
zunächst einmal bitte ich darum, mein "Boxenrennen" mit gebotenem Humor zu lesen .... ich bin mir nämlich nicht wirklich sicher, ob ein "Vergleichstest" zwischen diesen beiden hübschen Veteranen der Photographie so wirklich sinnvoll ist.
Vielmehr geht es mir darum, mal wieder ein bisschen Photo Nostalgie zu betreiben ..... ich hatte mal wieder einen sehr schönen Tag mit den alten Sachen .... eine Reise in die Vergangenheit, die es ja zwangsläufig werden muss, wenn man mit Kameras photographiert, die älter sind, als man selber .... und man ist ja nicht mehr ganz der Allerjüngste ......
ERGO:
Was sind (oder waren) eigentlich sog. BOX-Kameras?
Schon Ende des vorletzten Jahrhunderts (seit 1888 genau) revolutionierte etwas ganz neues die Photographie, KODAK hatte im genannten Jahr die ersten Rollfilme am Start. Es sollte zwar noch Jahrzehnte dauern, bis die Glasplattenphotographie ganz vom Film verdrängt werden sollte, aber die Verwendung von Film versprach nun, die Photographie mobiler, aktueller, handlicher und bitte auch einfacher (zumal für Unbedarfte) zu machen.
Beachtlich! Genau dieser allererste Rollfilm (später Typ 120 genannt) sollte das Zeug haben, bis heute zu überleben, nachdem später wirklich dutzende anderer Filmtypen unwiederbringlich vom Markt verschwinden mussten .... ironischerweise sogar Typ 620, den KODAK gegen den ehemals eigens eingeführten 120er durchsetzen wollte. Falsch gedacht! Der UR-Rollfilm sollte sich bis heute halten, seit nun 133 Jahren ununterbrochen.
Kurz ... es mussten Kameras her, Kameras für ein breiteres Publikum und eben nicht nur für wenige Profis, die die damals eben noch sehr umständliche und schwierig beherrschbare Technik handhaben konnten.
Üblicherweise lag die Photolaborarbeit in der Anfangszeit der Photographie bei den Photographen selber.
KODAKs neue Idee war nun, die Photo-Laborarbeit als Dienstleistung anzubieten und den Amateurphotographen so von allen Nebenarbeiten zu befreien.
"You press the button, we do the rest!” .... das war die neue Taktik, die Photographie mit Hilfe des Rollfilms zu vereinfachen und massentauglich zu machen.
Der Ausbildungsberuf "Photolaborant" entstand Anfang des 20. Jhdts..
Wie sahen nun solche sehr einfach, weil bezahlbar gehaltene, Boxkameras aus?
Ich habe inzwischen zwei solcher damaliger Billigheimer, die millionenfach gebaut wurden und heute zwar leicht zu bekommen sind, meist aber in keinem guten Zustand sind.
Links: Eine "BOX-TENGOR 54/2" von Zeiss (1934-1938) und Rechts eine AGFA Synchro-Box (1949-1957).

Im Grunde ist die Nachkriegs "Synchro-Box" von AGFA baugleich mit ihrem Vorkriegs-Pendant. Einziges Novum ist (deshalb "SYNCHRO"), dass die Synchro Box einen angesetzten AGFA-Birnenblitz auslösen (synchronisieren) kann.
Die ältere Zeiss BOX-TENGOR kann das allerdings nicht.... Damals musste "asynchron" geblitzt werden ... Kamera also im BULB-Belichtungsmodus und Blitz manuell abgefeuert ..... wobei eben "abgefeuert" ein durchaus spannendes und nicht ungefährliches Erlebnis zu werden versprach.
INBETRIEBNAHME:
Wer aus Nostalgiegründen mal mit einer BOX photographieren möchte, sollte da nicht einfach mal schnell einen Film einlegen und loslegen.
Praktisch alle Boxen sind über die vielen Jahre sehr blind geworden und müssen fast ausnahmslos revidiert werden .... zumindest wird man sie reinigen müssen, weil trübe Optik auch trübe Bilder abliefern muss.
Bei der AGFA ist das denkbar einfach ... ich zeige gleich, wie einfach man die simpele Technik erreichen kann.
Nicht ganz so einfach ist das bei der technisch dann doch sehr viel anspruchsvolleren TENGOR, die man zwecks dessen zerlegen muss ..... wie gesagt, es musste definitiv sein, die alte Kiste war extrem verstaubt ....
KOSTEN:
Ach ja .... was kostet dann so eine kleine Zeitreise in die Photo-Geschichte ....?!
Nicht wirklich viel!
Für die sehr gut erhaltene AGFA musste ich ganze drei Euros abgeben und für die seltenere TENGOR (und weil ja ZEISS draufsteht) waren doch tatsächlich satte 12 Euros fällig ..... beide Kisten (sorry Boxen!) mal wieder vom Trödelmarkt.

Tja ..... mit der TENGOR Box kaufe ich dann auch noch diesen uralten 120er Rollfilm aus deutscher Produktion ..... evtl. tatsächlich sogar noch ein Vorkriegs-Film??? Ich muss das noch recherchieren, zumal ich vorhabe, ihn auch noch zu entwickeln ....kein großes Risiko, falls nix 'drauf sein sollte, das kostet nicht wirklich viel Geld, wenn man das selber macht. Ich bin da echt neugierig ..... allerdings wird es wohl schwierig werden, für den uralten Streifen noch Daten für die Prozesszeiten zu bekommen ..... mal sehen!


Dieser Film ist so alt, dass er noch keine Plastik-Spule hat, sondern eine Blechspule mit Holzkern.....wie gesagt .... ich tippe darauf, dass die vorletzten Aufnahmen mit der Tengor noch vor dem 2. Weltkrieg gemacht wurden .... die letzten ja dann heute von mir.
FILM REIN UND LOS:
Wie gesagt ... beide Kameras sind gereinigt, geprüft und funktionsbereit .... wie benehmen sie sich jeweils beim einlegen des Filmes?
AGFA:

Die Synchro Box wird hinten aufgeklappt. Dann wird der Filmtransport Drehhebel herausgezogen und somit entriegelt, dann das komplette Innenleben der BOX nach hinten herausgezogen.



Die Kamera ist so simpel konstruiert, dass man nur denkt ....wow ... einfach aber einfach genial!

Ich zeige hier mal, wie ein 120er Rollfilm eingelegt wird:


Anschließend wird das "Innenleben mitsamt neu eingelegtem Film wieder in die Kamera eingeschoben, der Transport-Drehhebel eingerastet und er Deckel wieder geschlossen.

Die TENGOR ist technisch aufwendiger aber auch elegenter konstruiert .....



Bei der Zeiss BOX TENGOR bleibt die komplette Film-Transportmechanik an der Kamera und nur ihr Rückdeckel wird entriegelt und abgenommen. Das Einlegen des Filmes gestaltet sich viel einfacher weil weniger fummellig als bei der AGFA.
Die Haptik der Zeiss ist im Vergleich meiner Meinung nach gelungener und wertiger als bei AGFAs Synchro Box.
FILM Einlegen geht also klar an die TENGOR!!!
Beide Kameras bekommen den gleichen FOMAPAN 100 CLASSIC SW-Negativfilm spendiert.
Ausstattung:
Beide Boxen verwenden eine "Einlinsen-Meniskus-Optik".
Mit einer Meniskuslinse lassen sich zumindest die allergröbsten Linsenfehler einfacher Sammellinsen "ankorrigieren" .... sicher nicht "auskorrigieren".
Im Negativ-Format 6x9 cm wurden solche "Einlinsen-Objektive" bis zu einer Öffnung von Blende 11 gefertigt ..... wobei AGFA bei der SYNCRO-BOX mutiger war und sogar Blende 8 realisierte.
Allerdings hat AGFA -NIE- technische Angaben zu den BOX-Kameras gemacht! Blenden und Verschlusszeit der AGFA-BOX wurden später "ermittelt".
Die AGFA kommt minimalistisch an den Start:



Ein Edelstahl-Blechschieber verstellt eine Lochblende:
Eingeschoben = Blende 8
Halb gezogen = Blende 11
Ganz gezogen = Blende 8 + Gelbfilter
Eine Fokussierung gibt es nicht. AGFA sagt ... von 3m bis Unendlich ist alles ausreichend scharf!
Für den Portraibereich (1m bis 3m) kann man eine Portrait-Vorsatzlinse kaufen.
Die AGFA hat (wie fast alle Boxkameras) einen Rotationsverschluss, der nur eine einzige Verschlusszeit ermöglicht.
Praktisch alle Boxkameras belichten ca. eine 1/30s bis 1/50s.
Bei den damals "Momentaufnahmen" genannten "aus der Hand" Aufnahmen arbeitet man also permanent an der absoluten Verwackelungsgrenze ... eigentlich schon unterhalb dieser.
Ferner sind (auch über einen Drahtauslöser) BULB-Belichtungen möglich. Ein Umschalter muss entsprechend eingestellt werden.
Die alte Vorkriegs Zeiss kann die AGFA technisch locker in den Sack stecken!
Gucken wir mal:

Die BOX-TENGOR hat drei klar definierte Blenden, die über ein eleganter bedienbares Schwenk-Lochblech schaltbar sind.
Auch die TENGOR muss auf eine "anständige" Fokussierung verzichten .... zumindest aber kann "grob" über zwei einschwenkbare Vorsatzlinsen in dann drei Bereichen fokussiert werden.
Eine "Portrait-Vorsatzlinse" (wie bei AGFA) ist also sehr elegant schon eingebaut.
Wie auch die AGFA hat die TENGOR einen Rotationsverschluss, der als einzige Verschlusszeit für "MOMENTAUFNAHMEN" eine 1/25s realisiert.
Im Gegensatz zur AGFA bietet die TENGOR auch noch eine Auslösesperre gegen versehentliches Auslösen der Kamera.
AUSSTATTUNG geht klar an die TENGOR .... sie ist die elegenter gebaute und besser ausgestattete BOX im Boxenrennen.
FEATURES FÜR BEIDE:
Beide Kameras haben leider keine Doppelbelichtungssperre!!!
Du musst Dir dringend MERKEN, ob Du schon transportiert hast, oder noch den Film transportieren musst, um eine versehentliche Doppelbelichtung zu vermeiden.
Ich selber mache es bei solchen Kameras immer so, dass ich unmittelbar NACH jeder Aufnahme den Film transportiere. Die Kamera ist so spontaner schussbereit für die nächste Aufnahme.
Beide Kameras müssen natürlich auf automatischen Filmtransport verzichten.
Transportiert wird manuell über ein Schaufenster in den jeweiligen Kamerarückdeckeln:



Beide Kameras haben leider keine Verschlussklappen für die Schaufenster.
Der jeweilige Filmträger schützt zwar den Film vor Streulicht, bei direkter Sonneneinstrahlung wird das aber nicht zuverlässig funktionieren! Es ist also darauf zu achten, die Kamerarückwände möglichst abzuschatten und den Filmtransport immer im eigenen Körperschatten vorzunehmen.
Belichtungsspielräume im Vergleich:
Ursprünglich war bei allen BOX-Kameras für "MOMENTAUFNAHMEN" helles Tageslicht "erwünscht" am besten Sonnenlicht und gerne Sonnenlicht im Rücken.
Damals allerdings war ein 17-DIN Film schon "hochempfindlich", heute gibt es kaum noch Filme unter ISO 100 (21 DIN).
Heute kann es mit modernem Film innerhalb des geringen Stellbereiches der Boxen auch schnell mal zu hell werden, um nicht in den Bereich Überbelichtung zu geraten. Grund dafür wird dann weniger die sehr geringe Lichtstärke der Meniskuslinsen als vielmehr die lange Belichtungszeit des Rotationsverschlusses.
Steuern können "Selbestlaboranten" immerhin noch bei der Filmentwicklung. SW-Negativfilme können durch entsprechende Zielentwicklung um bis zu zwei ISO-Stufen gepushed (angehoben) oder gepulled (abgesenkt) werden.
Der hier verwendete Fomapan 100 SW-Negativfilm kann also notfalls zwischen ISO 25 bis ISO 400 zielentwickelt werden.
Bei Farbnegativfilmen ist zumindest eine ISO-Stufe machbar.
Weil die TENGOR zumindest drei Arbeitsblenden hat, geht dieser Punkt ebenfalls an die TENGOR .... wobei die AGFA-Synchro über Blende 8 verfügt, die TENGOR nicht .... warum deshalb trotzdem nicht "unentschieden", erschließt sich weiter unten noch.
Für beide: Zumindest SW-Negativfilme (aber auch Farbnegativfilme) waren und sind relativ fehlbelichtungstolerant, was den ungenauen Box-Kameras immer entgegen kam. Belichtungsmesser wurden sowieso nicht genutzt, weil sie ein Vielfaches der Kamera selber kosteten.
Fehlbelichtungen waren quasi "normal" und entsprachen insofern auch dem damaligen Anspruch an die Bildqualität der Boxen.
Bildqualität der Boxkameras damals und heute .....
Dazu muss man wissen, dass noch lange nach dem 2. Weltkrieg sog. "Kontaktabzüge" für die Photoalben genutzt wurden. daher stammt auch heute noch der Ausdruck "Abzug" für Photos, die eigentlich aber vergrößert sind.
Will sagen .... oft wurden 6x9 Aufnahmen gar nicht vergrößert, sondern einfach nur auf Photopapier durchbelichtet und 1:1 so ins Album geklebt.
Unvergrößert also reicht die Abbildungsleistung einer Meniskuslinse in jedem Fall aus.
Schwächen in der Abbildungsleistung zeigen sich erst bei wirklichen Vergrößerungen, um die es "damals" oft gar nicht ging.
Heute stellen wir hohe Erwartungen an die inzwischen als RIESIG empfundenen 6x9cm großen Negative des größten Mittelformates, die natürlich von guten Kameras auch erfüllt werden .... was aber kann eine Massenknipse von damals im Vergleich dazu heute?
Gucken wir mal:

Links AGFA Synchro BOX und rechts Zeiss BOX-TENGOR.
Beide Filme konnten bei heute bedecktem Himmel innerhalb des Belichtungsspielraumes der Kameras absolut korrekt belichtet werden.
So "frisch am Haken" sehen beide Rollfilme wirklich gut aus ... was wirklich in Sachen Schärfe und Kontrast los ist, kann man natürlich erst am Bildschirm dann sehen, wenn die Negative auch digitalisiert sind.
BILDQUALITÄT:
SYNCHRO-BOX

BOX-TENGOR

SYNCHRO-BOX

BOX-TENGOR

SYNCHRO-BOX

BOX TENGOR

SYNCHRO-BOX

BOX TENGOR

Fazit:
Wie unschwer zu erkennen ist, offenbaren die Vergrößerungen, dass beide Boxen meilenweit von Knackschärfe entfernt sind .... da brauche ich gar keine Bildausschnitte zu zeigen ... schon die Mittenschärfe hat nichts mit "Mittelformat" im heutigen Sinne zu tun.
Beide Kameras sind hier auf Blende 11 eingestellt .... nicht nur wegen der Vergleichbarkeit, sondern weil lichtsituativ erforderlich.
Beide Boxen fallen zum Rand hin deutlich in der Schärfe ab (wohlgemerkt ... wir sprechen hier von Arbeitsblende 11) die Bildecken darf man sich da gar nicht genauer ansehen.
In Sachen Randunschärfe zieht die AGFA den Kürzeren, dafür kommt mir die Agfa aber in der Bildmitte minimal besser vor??!
Insgesamt bieten beide Boxen hier sehr vergleichbar mäßige Bildergebnisse an.
In Sachen Bildqualität erkenne ich bei beiden BOXEN dann mal auf unentschieden.
Ach ja .... die AGFA bietet ja im Gegensatz zur Zeiss auch noch Blende 8 an .....

Hier zeigt sich, dass es mit Blende 8 wohl nichtmal für einen Kontaktabzug reichen dürfte .... das ist dann mal eher theoretisch.
Ergebnis des BOXENRENNENS .....
Die BOX-TENGOR macht das Rennen, aber auf niedrigem NIVEAU.
FAZIT:
Die Frage, ob sich der Aufwand jetzt gelohnt hat, kann ich für mich mit einem eindeutigen JAWOLL beantworten.
Es hat enormen Spaß gemacht, mit den beiden uralten "Volkskameras" loszuziehen.
Mal mit zwei Boxkameras wirklich photographiert zu haben, sich mit ihren Geschichten beschäftigt zu haben, die Bedienung erlernt zu haben ... mir macht das enormen Spaß.
Ob es sich lohnt, heute noch BOX-Photos zu machen, beantworten die "Lomographen" mit Sicherheit positiver, als ich.
Meine Antwort ist ein klares NEIN!!!
Ich habe letzte Woche noch für 8,€ eine weitere ADOX-GOLF 63s im Bestzustand
und in einer wunderschön erhaltenen Ledertasche kaufen können. Das ist eine Kamera mit einer wirklich guten Optik, die phantastisch scharfe 6x6 Aufnahmen abliefert, eine ähnliche "Zeitreise" ermöglicht nur eben wirklich klasse abliefert.
Es ist mit Film also möglich beides gleichzeitig zu realisieren .... Nostalgie + Filmlook und gleichzeitig gute Bildqualität.
BOX-Kameras können letzteres nicht leisten und das war ja auch zu erwarten.
Wäre es damals schon möglich gewesen, mit derart geringem technischen Aufwand wirklich hochwertige Aufnahmen zu machen, dann hätten sich hochwertigere Kameras ja damals schon erübrigt .... natürlich war dem nicht so.
Ihren eigentlichen Zweck haben die Boxen damals mit Sicherheit erfüllt .... sie waren ja sehr erfolgreich.
Film wurde zum neuen Medium der Photographie .... wie eingangs beschrieben.
Photographie für viele und Photos von unterwegs .... so fing es an.
Grüße und viel Spaß mit Film

Klaus
zunächst einmal bitte ich darum, mein "Boxenrennen" mit gebotenem Humor zu lesen .... ich bin mir nämlich nicht wirklich sicher, ob ein "Vergleichstest" zwischen diesen beiden hübschen Veteranen der Photographie so wirklich sinnvoll ist.
Vielmehr geht es mir darum, mal wieder ein bisschen Photo Nostalgie zu betreiben ..... ich hatte mal wieder einen sehr schönen Tag mit den alten Sachen .... eine Reise in die Vergangenheit, die es ja zwangsläufig werden muss, wenn man mit Kameras photographiert, die älter sind, als man selber .... und man ist ja nicht mehr ganz der Allerjüngste ......
ERGO:
Was sind (oder waren) eigentlich sog. BOX-Kameras?
Schon Ende des vorletzten Jahrhunderts (seit 1888 genau) revolutionierte etwas ganz neues die Photographie, KODAK hatte im genannten Jahr die ersten Rollfilme am Start. Es sollte zwar noch Jahrzehnte dauern, bis die Glasplattenphotographie ganz vom Film verdrängt werden sollte, aber die Verwendung von Film versprach nun, die Photographie mobiler, aktueller, handlicher und bitte auch einfacher (zumal für Unbedarfte) zu machen.
Beachtlich! Genau dieser allererste Rollfilm (später Typ 120 genannt) sollte das Zeug haben, bis heute zu überleben, nachdem später wirklich dutzende anderer Filmtypen unwiederbringlich vom Markt verschwinden mussten .... ironischerweise sogar Typ 620, den KODAK gegen den ehemals eigens eingeführten 120er durchsetzen wollte. Falsch gedacht! Der UR-Rollfilm sollte sich bis heute halten, seit nun 133 Jahren ununterbrochen.
Kurz ... es mussten Kameras her, Kameras für ein breiteres Publikum und eben nicht nur für wenige Profis, die die damals eben noch sehr umständliche und schwierig beherrschbare Technik handhaben konnten.
Üblicherweise lag die Photolaborarbeit in der Anfangszeit der Photographie bei den Photographen selber.
KODAKs neue Idee war nun, die Photo-Laborarbeit als Dienstleistung anzubieten und den Amateurphotographen so von allen Nebenarbeiten zu befreien.
"You press the button, we do the rest!” .... das war die neue Taktik, die Photographie mit Hilfe des Rollfilms zu vereinfachen und massentauglich zu machen.
Der Ausbildungsberuf "Photolaborant" entstand Anfang des 20. Jhdts..
Wie sahen nun solche sehr einfach, weil bezahlbar gehaltene, Boxkameras aus?
Ich habe inzwischen zwei solcher damaliger Billigheimer, die millionenfach gebaut wurden und heute zwar leicht zu bekommen sind, meist aber in keinem guten Zustand sind.
Links: Eine "BOX-TENGOR 54/2" von Zeiss (1934-1938) und Rechts eine AGFA Synchro-Box (1949-1957).

Im Grunde ist die Nachkriegs "Synchro-Box" von AGFA baugleich mit ihrem Vorkriegs-Pendant. Einziges Novum ist (deshalb "SYNCHRO"), dass die Synchro Box einen angesetzten AGFA-Birnenblitz auslösen (synchronisieren) kann.
Die ältere Zeiss BOX-TENGOR kann das allerdings nicht.... Damals musste "asynchron" geblitzt werden ... Kamera also im BULB-Belichtungsmodus und Blitz manuell abgefeuert ..... wobei eben "abgefeuert" ein durchaus spannendes und nicht ungefährliches Erlebnis zu werden versprach.
INBETRIEBNAHME:
Wer aus Nostalgiegründen mal mit einer BOX photographieren möchte, sollte da nicht einfach mal schnell einen Film einlegen und loslegen.
Praktisch alle Boxen sind über die vielen Jahre sehr blind geworden und müssen fast ausnahmslos revidiert werden .... zumindest wird man sie reinigen müssen, weil trübe Optik auch trübe Bilder abliefern muss.
Bei der AGFA ist das denkbar einfach ... ich zeige gleich, wie einfach man die simpele Technik erreichen kann.
Nicht ganz so einfach ist das bei der technisch dann doch sehr viel anspruchsvolleren TENGOR, die man zwecks dessen zerlegen muss ..... wie gesagt, es musste definitiv sein, die alte Kiste war extrem verstaubt ....
KOSTEN:
Ach ja .... was kostet dann so eine kleine Zeitreise in die Photo-Geschichte ....?!
Nicht wirklich viel!
Für die sehr gut erhaltene AGFA musste ich ganze drei Euros abgeben und für die seltenere TENGOR (und weil ja ZEISS draufsteht) waren doch tatsächlich satte 12 Euros fällig ..... beide Kisten (sorry Boxen!) mal wieder vom Trödelmarkt.

Tja ..... mit der TENGOR Box kaufe ich dann auch noch diesen uralten 120er Rollfilm aus deutscher Produktion ..... evtl. tatsächlich sogar noch ein Vorkriegs-Film??? Ich muss das noch recherchieren, zumal ich vorhabe, ihn auch noch zu entwickeln ....kein großes Risiko, falls nix 'drauf sein sollte, das kostet nicht wirklich viel Geld, wenn man das selber macht. Ich bin da echt neugierig ..... allerdings wird es wohl schwierig werden, für den uralten Streifen noch Daten für die Prozesszeiten zu bekommen ..... mal sehen!


Dieser Film ist so alt, dass er noch keine Plastik-Spule hat, sondern eine Blechspule mit Holzkern.....wie gesagt .... ich tippe darauf, dass die vorletzten Aufnahmen mit der Tengor noch vor dem 2. Weltkrieg gemacht wurden .... die letzten ja dann heute von mir.
FILM REIN UND LOS:

Wie gesagt ... beide Kameras sind gereinigt, geprüft und funktionsbereit .... wie benehmen sie sich jeweils beim einlegen des Filmes?
AGFA:

Die Synchro Box wird hinten aufgeklappt. Dann wird der Filmtransport Drehhebel herausgezogen und somit entriegelt, dann das komplette Innenleben der BOX nach hinten herausgezogen.



Die Kamera ist so simpel konstruiert, dass man nur denkt ....wow ... einfach aber einfach genial!

Ich zeige hier mal, wie ein 120er Rollfilm eingelegt wird:


Anschließend wird das "Innenleben mitsamt neu eingelegtem Film wieder in die Kamera eingeschoben, der Transport-Drehhebel eingerastet und er Deckel wieder geschlossen.

Die TENGOR ist technisch aufwendiger aber auch elegenter konstruiert .....



Bei der Zeiss BOX TENGOR bleibt die komplette Film-Transportmechanik an der Kamera und nur ihr Rückdeckel wird entriegelt und abgenommen. Das Einlegen des Filmes gestaltet sich viel einfacher weil weniger fummellig als bei der AGFA.
Die Haptik der Zeiss ist im Vergleich meiner Meinung nach gelungener und wertiger als bei AGFAs Synchro Box.
FILM Einlegen geht also klar an die TENGOR!!!
Beide Kameras bekommen den gleichen FOMAPAN 100 CLASSIC SW-Negativfilm spendiert.
Ausstattung:
Beide Boxen verwenden eine "Einlinsen-Meniskus-Optik".
Mit einer Meniskuslinse lassen sich zumindest die allergröbsten Linsenfehler einfacher Sammellinsen "ankorrigieren" .... sicher nicht "auskorrigieren".
Im Negativ-Format 6x9 cm wurden solche "Einlinsen-Objektive" bis zu einer Öffnung von Blende 11 gefertigt ..... wobei AGFA bei der SYNCRO-BOX mutiger war und sogar Blende 8 realisierte.
Allerdings hat AGFA -NIE- technische Angaben zu den BOX-Kameras gemacht! Blenden und Verschlusszeit der AGFA-BOX wurden später "ermittelt".
Die AGFA kommt minimalistisch an den Start:



Ein Edelstahl-Blechschieber verstellt eine Lochblende:
Eingeschoben = Blende 8
Halb gezogen = Blende 11
Ganz gezogen = Blende 8 + Gelbfilter
Eine Fokussierung gibt es nicht. AGFA sagt ... von 3m bis Unendlich ist alles ausreichend scharf!
Für den Portraibereich (1m bis 3m) kann man eine Portrait-Vorsatzlinse kaufen.
Die AGFA hat (wie fast alle Boxkameras) einen Rotationsverschluss, der nur eine einzige Verschlusszeit ermöglicht.
Praktisch alle Boxkameras belichten ca. eine 1/30s bis 1/50s.
Bei den damals "Momentaufnahmen" genannten "aus der Hand" Aufnahmen arbeitet man also permanent an der absoluten Verwackelungsgrenze ... eigentlich schon unterhalb dieser.
Ferner sind (auch über einen Drahtauslöser) BULB-Belichtungen möglich. Ein Umschalter muss entsprechend eingestellt werden.
Die alte Vorkriegs Zeiss kann die AGFA technisch locker in den Sack stecken!
Gucken wir mal:

Die BOX-TENGOR hat drei klar definierte Blenden, die über ein eleganter bedienbares Schwenk-Lochblech schaltbar sind.
Auch die TENGOR muss auf eine "anständige" Fokussierung verzichten .... zumindest aber kann "grob" über zwei einschwenkbare Vorsatzlinsen in dann drei Bereichen fokussiert werden.
Eine "Portrait-Vorsatzlinse" (wie bei AGFA) ist also sehr elegant schon eingebaut.
Wie auch die AGFA hat die TENGOR einen Rotationsverschluss, der als einzige Verschlusszeit für "MOMENTAUFNAHMEN" eine 1/25s realisiert.
Im Gegensatz zur AGFA bietet die TENGOR auch noch eine Auslösesperre gegen versehentliches Auslösen der Kamera.
AUSSTATTUNG geht klar an die TENGOR .... sie ist die elegenter gebaute und besser ausgestattete BOX im Boxenrennen.
FEATURES FÜR BEIDE:
Beide Kameras haben leider keine Doppelbelichtungssperre!!!
Du musst Dir dringend MERKEN, ob Du schon transportiert hast, oder noch den Film transportieren musst, um eine versehentliche Doppelbelichtung zu vermeiden.
Ich selber mache es bei solchen Kameras immer so, dass ich unmittelbar NACH jeder Aufnahme den Film transportiere. Die Kamera ist so spontaner schussbereit für die nächste Aufnahme.
Beide Kameras müssen natürlich auf automatischen Filmtransport verzichten.
Transportiert wird manuell über ein Schaufenster in den jeweiligen Kamerarückdeckeln:



Beide Kameras haben leider keine Verschlussklappen für die Schaufenster.
Der jeweilige Filmträger schützt zwar den Film vor Streulicht, bei direkter Sonneneinstrahlung wird das aber nicht zuverlässig funktionieren! Es ist also darauf zu achten, die Kamerarückwände möglichst abzuschatten und den Filmtransport immer im eigenen Körperschatten vorzunehmen.
Belichtungsspielräume im Vergleich:
Ursprünglich war bei allen BOX-Kameras für "MOMENTAUFNAHMEN" helles Tageslicht "erwünscht" am besten Sonnenlicht und gerne Sonnenlicht im Rücken.
Damals allerdings war ein 17-DIN Film schon "hochempfindlich", heute gibt es kaum noch Filme unter ISO 100 (21 DIN).
Heute kann es mit modernem Film innerhalb des geringen Stellbereiches der Boxen auch schnell mal zu hell werden, um nicht in den Bereich Überbelichtung zu geraten. Grund dafür wird dann weniger die sehr geringe Lichtstärke der Meniskuslinsen als vielmehr die lange Belichtungszeit des Rotationsverschlusses.
Steuern können "Selbestlaboranten" immerhin noch bei der Filmentwicklung. SW-Negativfilme können durch entsprechende Zielentwicklung um bis zu zwei ISO-Stufen gepushed (angehoben) oder gepulled (abgesenkt) werden.
Der hier verwendete Fomapan 100 SW-Negativfilm kann also notfalls zwischen ISO 25 bis ISO 400 zielentwickelt werden.
Bei Farbnegativfilmen ist zumindest eine ISO-Stufe machbar.
Weil die TENGOR zumindest drei Arbeitsblenden hat, geht dieser Punkt ebenfalls an die TENGOR .... wobei die AGFA-Synchro über Blende 8 verfügt, die TENGOR nicht .... warum deshalb trotzdem nicht "unentschieden", erschließt sich weiter unten noch.
Für beide: Zumindest SW-Negativfilme (aber auch Farbnegativfilme) waren und sind relativ fehlbelichtungstolerant, was den ungenauen Box-Kameras immer entgegen kam. Belichtungsmesser wurden sowieso nicht genutzt, weil sie ein Vielfaches der Kamera selber kosteten.
Fehlbelichtungen waren quasi "normal" und entsprachen insofern auch dem damaligen Anspruch an die Bildqualität der Boxen.
Bildqualität der Boxkameras damals und heute .....
Dazu muss man wissen, dass noch lange nach dem 2. Weltkrieg sog. "Kontaktabzüge" für die Photoalben genutzt wurden. daher stammt auch heute noch der Ausdruck "Abzug" für Photos, die eigentlich aber vergrößert sind.
Will sagen .... oft wurden 6x9 Aufnahmen gar nicht vergrößert, sondern einfach nur auf Photopapier durchbelichtet und 1:1 so ins Album geklebt.
Unvergrößert also reicht die Abbildungsleistung einer Meniskuslinse in jedem Fall aus.
Schwächen in der Abbildungsleistung zeigen sich erst bei wirklichen Vergrößerungen, um die es "damals" oft gar nicht ging.
Heute stellen wir hohe Erwartungen an die inzwischen als RIESIG empfundenen 6x9cm großen Negative des größten Mittelformates, die natürlich von guten Kameras auch erfüllt werden .... was aber kann eine Massenknipse von damals im Vergleich dazu heute?
Gucken wir mal:

Links AGFA Synchro BOX und rechts Zeiss BOX-TENGOR.
Beide Filme konnten bei heute bedecktem Himmel innerhalb des Belichtungsspielraumes der Kameras absolut korrekt belichtet werden.
So "frisch am Haken" sehen beide Rollfilme wirklich gut aus ... was wirklich in Sachen Schärfe und Kontrast los ist, kann man natürlich erst am Bildschirm dann sehen, wenn die Negative auch digitalisiert sind.
BILDQUALITÄT:
SYNCHRO-BOX

BOX-TENGOR

SYNCHRO-BOX

BOX-TENGOR

SYNCHRO-BOX

BOX TENGOR

SYNCHRO-BOX

BOX TENGOR

Fazit:
Wie unschwer zu erkennen ist, offenbaren die Vergrößerungen, dass beide Boxen meilenweit von Knackschärfe entfernt sind .... da brauche ich gar keine Bildausschnitte zu zeigen ... schon die Mittenschärfe hat nichts mit "Mittelformat" im heutigen Sinne zu tun.
Beide Kameras sind hier auf Blende 11 eingestellt .... nicht nur wegen der Vergleichbarkeit, sondern weil lichtsituativ erforderlich.
Beide Boxen fallen zum Rand hin deutlich in der Schärfe ab (wohlgemerkt ... wir sprechen hier von Arbeitsblende 11) die Bildecken darf man sich da gar nicht genauer ansehen.
In Sachen Randunschärfe zieht die AGFA den Kürzeren, dafür kommt mir die Agfa aber in der Bildmitte minimal besser vor??!
Insgesamt bieten beide Boxen hier sehr vergleichbar mäßige Bildergebnisse an.
In Sachen Bildqualität erkenne ich bei beiden BOXEN dann mal auf unentschieden.
Ach ja .... die AGFA bietet ja im Gegensatz zur Zeiss auch noch Blende 8 an .....

Hier zeigt sich, dass es mit Blende 8 wohl nichtmal für einen Kontaktabzug reichen dürfte .... das ist dann mal eher theoretisch.
Ergebnis des BOXENRENNENS .....
Die BOX-TENGOR macht das Rennen, aber auf niedrigem NIVEAU.

FAZIT:

Die Frage, ob sich der Aufwand jetzt gelohnt hat, kann ich für mich mit einem eindeutigen JAWOLL beantworten.
Es hat enormen Spaß gemacht, mit den beiden uralten "Volkskameras" loszuziehen.
Mal mit zwei Boxkameras wirklich photographiert zu haben, sich mit ihren Geschichten beschäftigt zu haben, die Bedienung erlernt zu haben ... mir macht das enormen Spaß.
Ob es sich lohnt, heute noch BOX-Photos zu machen, beantworten die "Lomographen" mit Sicherheit positiver, als ich.
Meine Antwort ist ein klares NEIN!!!
Ich habe letzte Woche noch für 8,€ eine weitere ADOX-GOLF 63s im Bestzustand
und in einer wunderschön erhaltenen Ledertasche kaufen können. Das ist eine Kamera mit einer wirklich guten Optik, die phantastisch scharfe 6x6 Aufnahmen abliefert, eine ähnliche "Zeitreise" ermöglicht nur eben wirklich klasse abliefert.
Es ist mit Film also möglich beides gleichzeitig zu realisieren .... Nostalgie + Filmlook und gleichzeitig gute Bildqualität.
BOX-Kameras können letzteres nicht leisten und das war ja auch zu erwarten.
Wäre es damals schon möglich gewesen, mit derart geringem technischen Aufwand wirklich hochwertige Aufnahmen zu machen, dann hätten sich hochwertigere Kameras ja damals schon erübrigt .... natürlich war dem nicht so.
Ihren eigentlichen Zweck haben die Boxen damals mit Sicherheit erfüllt .... sie waren ja sehr erfolgreich.
Film wurde zum neuen Medium der Photographie .... wie eingangs beschrieben.
Photographie für viele und Photos von unterwegs .... so fing es an.
Grüße und viel Spaß mit Film


Klaus
Zuletzt bearbeitet: